Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Kündigung des vom BFW-Vorstand bereits in 2018 strittig gestellten Tarifvertrages ist uns telefonisch mitgeteilt worden. Sie als Mitarbeiter*innen haben eine längere Email hierzu erhalten, die der ver.di mehr oder weniger subtil die Verantwortung für diese Kündigung zuschreibt. Uns haben nach der Kündigung und auch schon davor einige Fragen erreicht, die wir gerne beantworten:
Wie bewertet ver.di die Kündigung? Wir haben dem BFW-Vorstand bereits im Februar in einer größeren Runde – mit den Betriebsräten an unserer Seite – versichert, dass wir über den Tarifvertrag verhandeln, insofern wir hierzu den Auftrag der Mehrheit der Beschäftigten erhalten. Eine Kündigung wäre daher nicht nötig gewesen.
Warum hat ver.di denn dann nicht einfach verhandelt? – Dann wäre es gar nicht erst zu einer Kündigung gekommen. Verhandeln macht nur dann Sinn, wenn wir aus der Position der Stärke handeln. Eine Gewerkschaft ist grundsätzlich dann legitimiert, wenn aus ihr die Mehrheit der Belegschaft spricht und handelt. Und nur wenn die Mehrheit gewerkschaftlich handelt, haben wir die Möglichkeit kraftvoll etwa durch Aktionen wirksam zu werden.
Aber 2007 habt ihr doch auch verhandelt, ohne eine sichtbare Mehrheit im Betrieb zu haben. Aber was ist das Ergebnis? Wichtige Fragen wie die Eingruppierung wurden in die Zukunft geschoben und konnten von uns nicht mehr befriedigend verhandelt werden. Im Mai 2009 haben wir mit dem BFW über die Eingruppierungsordnung (EgO) verhandeln wollen. Was hat uns die Gegenseite geantwortet: Die EgO passt, wir kommen klar. Die EgO hat keine Fehler. Vielleicht nicht gerecht, aber komfortabel. Die Beschäftigten können damit gut umgehen, noch keine Schmerzen über die EgO vernommen. Wir haben keinen Verhandlungsdruck. Das zeigt nur eines: Wir müssen es anders machen als 2007 oder 2009.
Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind gekündigt. Bekomme ich im Sommer kein Urlaubsgeld mehr? Was wird aus den Tarifverträgen? Für alle Kollegen*innen die bis zum 31.12.2020 eingestellt sind/werden, wirken die Tarifverträge nach. Die Tarifverträge haben für diesen Personenkreis jedoch nur noch eine individual-arbeitsrechtliche Anspruchswirkung; keine kollektive – unmittelbare und zwingende – Wirkung mehr. Wir können davon ausgehen, dass die Gegenseite bei Neueinstellungen diese Tarifverträge explizit ausklammern wird. Aber auch bisher Beschäftigte laufen Gefahr, dass die Tarifverträge aus der Nachwirkung fallen, wenn Sie aus welchen Gründen auch immer, arbeitsvertragliche Anpassungen (Teilzeit, Stellenwechsel, Verlängerungen) vornehmen „müssen“. Diese Art des Umgangs ist nicht zwingend, sie ist aber möglich.
Dann wäre es doch am besten, wenn sich keine*r in der Gewerkschaft organisiert. Dann bekommen wir weiter Urlaubs- und Weihnachtsgeld! Kurzfristig ist „nichts tun“ vielleicht rational vorteilhaft. Die Gegenseite wird sich damit aber nicht zufrieden geben. Für die Gegenseite ist die Kündigung ein „Warnschuss“. Uns geht es darum, aus einer Position der Stärke heraus unsere Interessen zu vertreten. Wir wollen nicht abwarten, bis die ersten „Neuen“ oder Entfristeten oder Teilzeitler*innen Nachteile haben und dadurch die Belegschaft gespalten wird. Wir werden die Belegschaft nicht durch Angst-machen organisieren. Angst lähmt. Wir benötigen für etwaige Verhandlungen eine selbstbewusste, eine gewerkschaftlich organisierte Belegschaft.
Glaubt ihr mit neu verhandelten Tarifverträgen wird das BFW zukunftsfähig? Die Gegenseite macht indirekt die materiellen Tarifleistungen für die Misere des BFW verantwortlich. Die Tarifverträge werden zum Schauplatz gemacht. Es wird so getan, als ob das BFW ein Ausgabeproblem hat. Lange Zeit waren die Tarifgehälter kein Problem. Was sich aber geändert hat, ist die neue Zusammensetzung der Maßnahmen und ihrer Finanzierungshöhen. Wir müssen die Einnahmesituation wieder verbessern. Das geht nur, wenn das gesamte Werk hier zusammensteht. Wir wollen über unsere gewerkschaftliche Praxis auch die Betriebskultur verbessern. Beschäftigte sollen nicht nur „gute Tarifverträge“ mit entsprechenden materiellen Leistungen erhalten, sie sollen auch Anspruch haben, auf eine „gute Arbeit“. Spätestens durch unsere Befragung wissen wir, dass da vieles im Argen liegt. Wir denken, dass ist auch ein Thema für die Gegenseite. Wenn wir mit der Gegenseite eine im besten Sinne sozialpartnerschaftliche Kultur entwickeln, in der die Belegschaft und ihre Interessenvertretung(en) wirklich gehört werden und mitentscheiden können, wird das mittel- und langfristig das BFW in seinem Kern retten können. Sonst droht das BFW ein Bildungsträger wie so viele auf einem SGB II / III – Sektor zu werden, die allesamt keine TVöD-Gehälter zahlen.
Und was passiert, wenn ihr nach eurer Kampagne feststellen solltet, dass ihr nicht die geforderte Mehrheit bekommt? Wir nehmen die Belegschaft ernst. Wir bitten um das Mandat, den Tarifvertrag zu verhandeln. Wir wissen, ohne den Rückhalt in der Belegschaft wird das nichts. Wir werden uns nicht beim Scheitern zurückziehen. Wir werden weiter um das Mandat ringen. Dazu gehört auch, dass wir rauskriegen müssen, was die Gewerkschaft tun muss, um das Vertrauen zu erhalten. Wir müssen uns das Vertrauen verdienen. Das ist uns klar. Deshalb laden wir neben den Mitgliedern im BFW auch die (noch)nicht-organsierten Beschäftigten zu unseren Versammlungen ein.
Ich finde die Idee der Gewerkschaft gut, jedoch ist mir der Beitrag für eine Mitgliedschaft zu hoch. Tarifverträge gelten als kollektive Güter. Es ist immer bequem, wenn der Nachbar den Schnee auf dem gemeinsamen Weg wegschippt. Aber fair und solidarisch ist das nicht. Tarifverträge fallen nicht vom Himmel, sondern werden durch Gewerkschaftsmitglieder entwickelt und erkämpft. Unterm Strich ist der Gewerkschaftsbeitrag eine sehr gute Investition, denn das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das Gehalt der EG 9 hier Stufe 3 ist seit 2005 von 2.410 Euro auf aktuell 3.505 Euro gestiegen. Das sind 45 % Gehaltssteigerung, bei einem Beitrag von 1 %.
Klar ist: Wir müssen mehr werden, um unser Vorhaben demokratisch legitimiert und aktionsfähig durchsetzen zu können. Wir können in Tarifverhandlungen und gegen die ansonsten drohenden Maßnahmen der Gegenseite nur stark wirken, wenn die Belegschaften zu rund 50 % gewerkschaftlich organisiert sind. Nur so können wir wirklich auf Augenhöhe und im Namen der Beschäftigten verhandeln.
Nur eine Gewerkschaft kann die Unternehmensleitung des BFW zu Tarifverhandlungen auffordern. Und nur eine Gewerkschaft kann ihre Mitglieder schützen, sollte es zu Konflikten kommen. Gewerkschaft soll sich lohnen: Mitglied werden unter Vorbehalt des Organisierungserfolgs!
So funktioniert das Mitglied-mit-Vorbehalt-Modell: Wir werben um Deine ver.di-Mitgliedschaft. Wir sammeln die ausgefüllten Beitrittserklärungen zunächst treuhänderisch bei Deinen betrieblichen ver.di-Ansprechpartner*innen (Berlin: Michael Schülke; in Mühlenbeck und Prenzlauer Berg: Florian Kozianowski). Nur wenn wir unser Organisierungsziel von rund 50 % der Beschäftigten erreichen, wird dein Beitrittsformular an ver.di übergeben und erst dann wird Deine Mitgliedschaft wirksam. Das heißt auch, dass erst ab diesem Zeitpunkt dein Mitgliedsbeitrag fällig wird. Falls wir das Ziel nicht (sofort) erreichen, werden die Beitrittsformulare nicht übergeben – und dann überlegen wir gemeinsam, wie es weitergehen kann.
Mit kollegialen Grüßen
Eure ver.di-Aktiven im BFW
(Foto: Christian Dirsch)